Mal wieder ein Rekord? Nicht wirklich!

Auf den ersten Blick liest sich die Bilanz von der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) wieder mal ganz hervorragend. Die Hansestadt meldet einen Rekordbesuch, noch nie seien so viel Besucher nach Bremen gekommen, wie 2011. Die Übernachtungszahlen sind stark gestiegen und damit auch die Umsätze der Gastronomiebetriebe.

Hatten wir so etwas vor ungefähr viereinhalb Monaten nicht schon einmal? Die Situation auf dem Bremer Hotelmarkt hat sich seitdem nicht verändert und ist immer noch alles andere als einfach: Die enttäuschende Entwicklung im Bereich der Großveranstaltungen und Kongresse, der Verdrängungswettbewerb durch zunehmenden Low-Budget-Tourismus bei anhaltend niedriger Zahlungsbereitschaft der Gäste und die auf absehbare Zeit dennoch steigenden Bettenkapazitäten stellen große Herausforderungen für die Hotelunternehmer und ihre Mitarbeiter dar. Viele Hotels haben trotz gestiegener Gästezahlen in Bremen rückläufige Umsatzzahlen.

Der Ländervergleich im Artikel des Weser Kuriers hinkt leider auch, wenn man sich die totalen Zahlen anschaut: Für das vergangene Jahr erwartet Hamburg z.B. ein Ergebnis mit rund 9,5 Millionen Übernachtungen. Das sind fast mehr als 600 Prozent gegenüber den 1,6 Millionen Übernachtungen in Bremen. Ebenso sind in Hamburg die Zimmerpreise und auch die Durchschnittsauslastung um ein vielfaches höher. Bremen hingegen ist wie schon erwähnt eher im Low-Budget-Tourismus anzusiedeln. Die geplante Einführung der City-Tax hat in verschiedenen Hotels in Bremen schon massive Stornierungen zur Folge gehabt. Die Gäste wollen sparen.

Einen nicht allzu kleinen Anteil an dieser „Erfolgs-Meldung“ der BTZ dürfte auch die Fluggesellschaft Ryanair haben. Die Billig-Airline steht zwar sinnbildlich für den Low-Budget-Tourismus in Bremen, aber ohne Ryanair würde es schlecht aussehen. Ich erinnere noch an den Aufschrei im Winter 2010 als Ryanair nur angekündigt hat, seinen Fahrplan zu reduzieren.

Der Chef der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ), Peter Siemering, nannte die Ryanair-Pläne „keine gute Nachricht“. Sie kosteten die Bremer Hoteliers voraussichtlich 30.000 Übernachtungen im Jahr – ein Minus von rund 3 Prozent. „Das tut weh und das können wir nicht so einfach kompensieren“, sagte Siemering. (Quelle: taz.de)

Außerdem: Viele Endverbraucher werden doch nicht durch die BTZ auf die Hotels und Angebote aufmerksam, sondern vielmehr durch die gestiegene Anzahl von Vermittlungsportalen und deren ständig steigende Marketingaufwendungen für Online Marketing und Suchmaschinenoptimierung. Die BTZ bleibt jedes Jahr aufs neue die Zahlen schuldig, wie viele der Übernachtungen denn tatsächlich von Unternehmen wie hrs.com, booking.com, expedia.de, hotel.de, ehotel.de usw. gebucht werden.

Ebenso muss die BTZ verstehen, dass ihre Aufgabe künftig eben nicht der Vertrieb ist oder in Konkurrenz zu den Portalen und anderen Anbietern zu stehen. Alleine die Pflege und Aufbau von Buchbarkeit im Internet, Reservierungszentralen, etc. kostet immens viel Geld. Die BTZ muss vielmehr Beziehungen zu Interessierten und Kunden intensivieren und daraus für die Kundeninteraktion lernen. Nennen wir es mal so: Sie sollte als Wissensmanager und Moderator der einzelnen Stakeholder fungieren. Das würde die gesamte Organisation straffer und effizienter machen. Durch so eine Ausrichtung könnten Kosten gespart werden, die für die öffentliche Verwaltung höher sind, als die zu erwartenden Einnahmen einer City-Tax in Bremen. (siehe Blogbeitrag Eric Horster)

Denn sind wir doch einmal ehrlich: Dass die Bremer Hotellerie in den Katalogen des Reiseveranstalters von DERTOUR, TUI, Neckermann, usw. vertreten ist, ist sicherlich kein Akquisitionserfolg der BTZ, sondern geht vielmehr auf die Vertriebsanstrengungen der einzelnen Hotels und Hotelmarken zurück. Die drohende Pleite und die rückläufigen Besucherzahlen des touristischen Aushängeschildes Bremens „Universum“ zeigt einmal mehr, wie wichtig eben dieser Ansatz der BTZ ist. Bis dato ist es aber immer so, dass sich Herr Siemering und die BTZ mit Erfolgen schmücken. Völlig losgelöst davon, ob man selbst dafür verantwortlich war oder nicht. Bei Fehlschlägen will man dann aber damit nichts zu tun haben, da kann man ja nichts dafür.

Hinter vorgehaltener Hand beklagen Beteiligte wie Museen, etc. schon länger, dass eben genau diese Koordination und Moderation aller Stakeholder des touristischen Standortes Bremen einfach fehlt. In den Fällen vom Universum, der Botanika, usw. spürt man somit auch unweigerlich die Auswirkungen des Low-Budget Tourismus in Bremen, die vertriebliche Schwäche und das eigentliche Vermarktungsdefizit der BTZ. Erfolgsmeldungen über tolle Pressekontakte und prozentuale Steigerungen dienen der Rechtfertigung der eigenen Position. Der Blick auf die Wirtschaftlichkeit interessiert indes nicht. Andere machen das ganz nüchtern und eröffnen als Bremer Unternehmen (z.B. Hachez) ihre hauseigene Erlebniswelt (Chocoversum) in Hamburg, weil man eben in Bremen nicht die totalen Gästezahlen erwartet, wie in Hamburg. Das ist übrigens die Stadt, die Bremen laut den Aussagen von Herrn Siemering im vergangenen Jahr mit unfassbaren prozentualen Steigerungen weit hinter sich gelassen hat.

Ich bleibe dabei: Es ist wirklich erstaunlich, was man alles erreichen kann, wenn es egal ist, wer die Anerkennung dafür erntet. Oder anders: Vielen Hotels und anderen touristischen Leistungsträgern in Bremen ginge es besser, wenn alle Beteiligten ihr Ego besser im Griff hätten.

Doch dazu muss der Blick durch die rosarote Brille der „prozentualen Steigerungen“ einmal aufhören. Die Bereitschaft und natürlich die Kompetenz aller dazu benötigen Personen und Unternehmungen muss vorhanden sein, um gemeinsam an einer starken, touristischen Zukunft für Bremen zu arbeiten. Denn der Tourismus ist und bleibt einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren in Bremen. Und noch einmal: Die zukünftige Ausrichtung einer Touristikzentrale ist eben die als Moderator und Wissensmanager. Das ist der Grundstein für den künftigen Erfolg aller und von neuen Rekorden, über die der Weser Kurier dann bestimmt auch wieder berichten wird.

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