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Titel ohne Mittel – oder warum Zimmermädchen und Hotelverkäufer gemeinsam an einem Strang ziehen!

Da lese ich doch heute auf meiner sehr frühen Fahrt nach Berlin einen sehr schönen Artikel in der Hamburger Morgenpost (klick für Vergrößerung). Es geht um die Ausbeutung von Reinigungskräften im Hotelgewerbe. Nicht, dass das Hotelgewerbe sowieso schon an unterster Stelle der Attraktivität der Arbeitgeber steht, nein, mit solchen Aktionen wird die Branche weiter und weiter in Verruf geraten. Das Anwerben von Fachkräften wird immer schwieriger und die Branche jammert heute schon über einen Fachkräftemangel.

http://www.welt.de/wirtschaft/article109141234/Azubis-im-Hotelgewerbe-sind-besonders-unzufrieden.html

Es werden viele tolle Sitzungen abgehalten, Podiumsdiskussionen geführt und reüssiert, was man denn nicht alles machen kann, um diesem entgegenzuwirken. Am Ende entpuppt sich das alles als NATO-Strategie: „No Action – Talk Only“. Die Branche hat schlicht und einfach ein Problem und das gilt es nicht zu kaschieren oder wegzudiskutieren, sondern sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Aber wer macht das denn schon? Die Problematik fängt doch ganz woanders an. Wenn oben nicht genug reinkommt (Umsatz), muss ich unten schauen, dass ich genug spare (Kosten), damit ganz unten noch genug überbleibt (Gewinn). Und damit geht es schon los: der Umsatz. Deutschland ist ein Schlaraffenland, nirgendwo auf der Welt gibt es so günstige Hotelpreise für so tolle Produkte. Angeblich ist die Dichte der Fünf-Sterne Hotels in Berlin mittlerweile größer als in Manhattan, leider sind nur die Hotelpreise dieser Hotels nicht so hoch, wie die der gleichen oder auch anderweitigen Kategorie. Wenn ich Glück habe, ein wenig clever verhandle oder mich darauf konzentriere ein Schnäppchen zu machen, dann bekomme ich irgendwo im Netz (oder als Firmen-Vertragspartner direkt beim Hotel selbst) sicherlich Preise in Berliner Fünf-Sterne Hotels für unter €100. Und ich spreche jetzt nicht von Gruppenraten, Wholesalerraten, etc., sondern von Raten „B-to-C“ – also direkt zum Endverbraucher.

Nun ist es allgemein in der Hotellerie so, dass es eine BUIAGA-Branche ist (BUIAGA – Bei Uns Ist Alles Ganz Anders). Während andere Lieferanten oder Firmen ihre Kunden anschreiben und die Preiserhöhungen schriftlich mitteilen oder Firmen aus der Mineralölbranche, die Airlines, die Bahn, etc. die Preise einfach so erhöhen, hat die Hotellerie oftmals die Hose gestrichen voll, Preiserhöhungen durchzusetzen. Seit 1994 bin ich im Hotelverkauf aktiv und ehrlich gesagt hat sich die vergangenen knapp 20 Jahre einiges (das Umfeld), aber eben nicht alles (die Vorgehensweise) geändert. Denn was sich nicht geändert hat, ist das Verhalten der Hotelverkäufer und vieler Hoteldirektoren. Erst vor ein paar Wochen hatte ich im Zuge der möglichen Einführung der City-Tax eine sehr spannende Diskussion, wo es unter anderem darum ging und folgende Aussagen getroffen wurden :

„Oh, Preiserhöhungen kriege ich nicht durch, das macht der Kunde nicht mit.“

(Ist das so? Aber wir machen doch auch die Preiserhöhungen aller Anderen mit und die Anderen der Anderen ebenfalls! Nur in der Hotellerie ist es anders, merkwürdig…)

„Ich muss da ganz vorsichtig sein, mehr als €0,50 oder €1 an Erhöhung akzeptiert der Kunde nicht, dann ist der weg!“

Warum ist es denn so, dass wir nicht die Preise erhöhen oder der wirklichen Leistung und den dazugehörigen Kosten anpassen wollen? Weil wir „Schiss“ haben, „Schiss“ vor den eigenen Kollegen. Weil am Ende irgendeiner wieder sämtliche Preise unterbietet, um kurzfristig mit einer hohen Belegung zu glänzen und gut da zustehen (klappt im Übrigen besonders gut in der Konzernhotellerie, da pushe ich die Belegung hoch, alle freuen sich, ich werde weggelobt oder wegbefördert und die arme Sau die nach mir kommt, muss sich dann damit rumärgern). Mit Nachhaltigkeit und strategischer Ausrichtung hat das nichts zu tun. Die Hotelverkäufer sind nach wie vor „rollende Prospektständer“ oder „lila Pausehasen- Verteiler“, die meistens nichts mehr machen, als die Kunden zu betreuen. Im „Verkaufssprech“ würde man sagen: „Mehr courtesy als productive calls“. Sie sind aber auch eine arme Kaste, trotz der großen Titel wie „Director of Business Development“, „Senior Director of Sales“, „Executive VP Sales“, „Verkaufsdirektor“, etc. haben die wenigsten überhaupt „Unterschriftenvollmacht“.  Im Gegenteil, nach wie vor können und dürfen sie nichts entscheiden. Entweder muss alles noch mit der Geschäftsleitung oder mit dem Hoteldirektor abgestimmt oder – wenn es zentrale Verkäufer sind und die Hoteldirektoren die Budgethoheit haben – eben alles muss mit denen vereinbart werden. Wie kompetent wirke ich denn dann beim Kunden? Titel ohne Mittel sagte man früher immer, passt hier hervorragend. Stimmen werden bereits laut am Markt (von Kundenseite), die sagen: „Lass mich bloß in Ruhe vor diesen Hotelverkäufern. Nein, ich will keine Einladungen, ich will auch keine telefonische Kundenpotentialanalyse machen. Nein, ich will nicht wissen, ob du, lieber Verkäufer, neu bist und Dich vorstellen willst, etc.. Lass mich einfach in Ruhe.“

Klar, denn der Zeitplan der Ansprechpartner (Entscheider, Bucher) ist heute enger denn je.  Wenn früher der Ansprechpartner noch Zeit hatte, sich jedes Hotel anzuschauen, zu „klönschnacken“, etc., passt das heute überhaupt nicht mehr. In Zeiten der ständigen Effizienztrimmung fällt das weg.  Das Thema Corporate Gouvernance will ich an dieser Stelle gar nicht beleuchten, denn wenn das losgeht, dann können viele einpacken. Oder versteuern sie jedes Kundenevent als geldwerten Vorteil für den Kunden?

Somit haben die Verkäufer da draußen einen schweren Stand, der auch nicht hübscher wird, trotz Trainingsmaßnahmen, trotz Schulungen usw. – es ist, wie es ist und bleibt, wie es war. Man kann ihnen keinen Vorwurf machen und daher feiert man sich regelmässig selbst bei großen Branchenevents, diskutiert auch da seit fast mehr als 20 Jahren die gleichen Themen und ändert nichts. Hauptsache ich bin gut drauf und sehe gut aus! Na denn…

Was sich dagegen ändert ist das Umfeld, strategisch, mit viel Geld ausgerüstet und mit top geschulten Personal wachsen und wachsen die Onlinereisemittler zu einer Dominanz, die erschreckend ist. Wir Hotellerie, natürlich nicht dumm, machen uns das zu Gute und nutzen den tollen Multiplikator der OTA’s. Ist ja auch einfach: Mein Verkäufer betreut die Kunden und das Geschäft kommt über die Mittler, klasse! Dumm nur, dass es auch hier oftmals nur über die Preise geht – und bitte nicht falsch verstehen: den Preis macht der Hotelier, nicht das Portal (obwohl diese mit den ständigen Versuchen der 50%+ Rabatte natürlich den Kunden auch falsch erziehen). Also unterbieten wir uns in der Hotellerie gegenseitig im Preis und die Portale sind der lachende Dritte. Mögliche Kunden (speziell auch Firmenkunden) finden bessere Preise auf den Portalen als beim Hotel direkt. Speziell die Corporate-Angebote der Portale mit 5%+ Ermässigung gegenüber der BAR (Best Available Rate) unterstützen das Ganze also auch noch.

Das schlimme dabei ist: die Hotellerie ist in eine Abhängigkeit der Portale gerutscht, nach den Personalkosten und den Nebenkosten werden die Distributionskosten der drittgrößte Kostenblock im Hotel werden, wenn sie es denn nicht schon sind. Und da sind wir bei dem Dilemma: Abhängigkeit von den Portalen, die erhöhen die Provisionen und wir trauen uns nicht, die Preise ebenfalls anzuheben. Weil wir Angst haben, dass wir uns dann aus dem Markt schießen (denn ein anderer wird die Preise machen, das hatten wir ja oben schon).

Lange Rede kurzer Sinn: Dann muss ich als Hotelier natürlich sparen. Und da das Housekeeping ein besonders großer Posten ist, gilt es hier zu optimieren. Unmenschliche und vor allem gesetzwidrige Arbeitsbedingungen werden von den Hotels im Housekeeping geduldet, so lange die Preise stimmen. Andersherum gesagt: Da die Hotellerie keine klare Distributions- und Preisstrategie hat, wird auf dem Rücken der Schwächsten probiert, das Betriebsergebnis zu retten. Das finde ich mittlerweile mehr als zum Kotzen und mich regt es richtig auf. Immer wieder sind es die Vier- und Fünf-Sterne Hotels (und da muss ich nur meinen Markt in Bremen anschauen), die mit den Preisen soweit nach unten gehen, dass sie zum Teil auch unterhalb der Preise meines Zwei-Sterne-plus Hotels liegen. Es geistern in der Stadt mittlerweile Firmenpreise der Vier- und Fünf-Sterne Hotellerie für €69 inkl. Frühstück im EZ herum. Ich wette, dass das in anderen Städten auch nicht anderes ist. Doch was dagegen tun? In meinen Augen ist es die unternehmerische und auch soziale Verantwortung und Pflicht einer jeden Führungskraft, dafür zu sorgen, dass es in den Hotels ordentliche Arbeitsbedingungen und faire Löhne gibt. Es kann nicht sein, dass hier (und jetzt nehmen wir mal das Beispiel des Reinigungsunternehmens aus dem Mopo Artikel, das im Übrigen auch in Bremer Hotels aktiv ist) Menschen arbeiten, denen die Überstunden nicht angerechnet werden, die keinen Mindestlohn bekommen, die kein Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld bekommen und deren Abhängigkeit, Geld zu verdienen, schamlos ausgenutzt wird. Die Hotellerie sollte sich von diesen Anbietern distanzieren und auch ihrer sozialen Verantwortung nachkommen. Ansonsten wird die Branche weiter schaden nehmen und wir werden bald überhaupt keine Menschen mehr bekommen, die in einem Hotel arbeiten wollten (man braucht im Übrigen nur einmal „Ausbildung im Hotel“ oder „Arbeitsbedingungen im Hotel“ googeln).

Am Ende sind wir doch ein „Peoples Business“, wir arbeiten mit Menschen für Menschen. Warum behandeln wir die Menschen mit denen wir arbeiten anders, als die, für die wir arbeiten?

 

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