Der Dinosaurier der Tagungsvermittler tritt ab

Nachdem vor ein wenig mehr als drei Jahren die damalige MICE AG schon Insolvenz anmelden musste, hat es nun auch Intergerma erwischt. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, als die damalige UVT entstand und wie groß das Unternehmen geworden ist. Die Protagonisten Kurt Schüller und Marcus Wiesner waren Pioniere in dem Gebiet der Tagungsvermittlung und hatten mit ihren einzelnen Segmenten, unter anderem UVT als Tagungsvermittlung, der STB als die Leitmesse der Veranstaltungsindustrie und dem Tagungsplaner Handbuch, ein vollumfängliches Dienstleistungspaket für die Hotellerie und auch die Firmenkunden aufgebaut.

Intergerma gehörte ebenfalls dazu, ein Dinosaurier der Tagungsvermittler, ein top Handbuch und eine super Vermittlungsagentur. Big-Data war damals zwar noch kein Mainstream, aber bereits gelebte Realität der Jungs aus Bad Kreuznach und aus Hamm. Es gab wohl von uns damals keinen Verkaufsdirektor oder überhaupt Verkäufer, der nicht bei ihnen vorstellig geworden ist. Wie gerne erinnere ich mich an diese „Hands-On“-Mentalität und alte Zeit zurück. Für uns waren das damals die Branchengrößen und mit Ehrfurcht haben wir Termine mit ihnen wahrgenommen, um am Ende immer wirklich fruchtbare Partnerschaften zu etablieren.

Aber Zeiten ändern sich und auch Stillstand ist oftmals Rückschritt. Bei der Unternehmensgruppe UVT ist damals Christoph Schwind dazugekommen (der eigentliche Gründer der STB) und irgendwann ausgeschieden, um sich selbständig zu machen und mit meetingmasters.de ein eigenes Unternehmen aufzubauen, dass von Anfang an verstärkt auf Technologie gesetzt hat und mittlerweile zu den großen Playern im Markt gehört. Auch Kurt Schüller hat sich dann von der UVT verabschiedet. Diese ist kurz danach nach Berlin gezogen, um mit einigen neuen Protagonisten als MICE AG mit einem starken Fokus auf Technologie zu firmieren. Parallel kamen Unternehmen hinzu wie zum Beispiel tagungshotel.com, das von Udo Lülsdorf, einem Branchenfremden, gegründet wurde. Die Firma fungiert mittlerweile als meetago und wurde von HRS übernommen.

Zeiten ändern sich und mit Dirk Führer, ein absoluter Hotelprofi und zuletzt CMO der Steigenberger Hotels AG, kommt ein weiterer Player auf den Markt, der sich voll und ganz der Technologie widmet, sein Okanda setzt neue Standards. Parallel dazu gibt es noch das MICE Portal der Gräfin von Brühl und auch der Deutsche Fachverlag mischt kräftig mit.

Und schaut man sich diese Entwicklung an, da verwundert es am Ende nicht, was nun mit Intergerma passiert ist. Alleine der Weggang des damaligen GF Markus Schmidt, sorgte schon für viele Fragezeichen in der Branche. Die Neubesetzung des GF war auch nicht gerade ein Statement des Aufschwungs in den Markt. Schaut man sich sonst den Fokus des Unternehmens an, dann scheint es, dass man müde geworden ist in Hamm. Es fehlte zuletzt die klare Strategie, kein Fokus auf Technologie und man hoffte wohl auf ein „LAST EXIT“, der mit der Übernahme von meetago durch HRS zu Nichte gemacht wurde. Am Markt wurde dann die alte Intergerma noch „wie sauer Bier“ angeboten, aber anscheinend wollte es niemand mehr haben, so dass man nun selbst den Stöpsel gezogen hat.

Aber ich bin mir sicher, dass auch daraus wieder etwas Neues entsteht. Die Qualität des mittleren Managements bei Intergerma ist super und wer sagt nicht, dass sich jemand von denen ein Herz nimmt und gepaart mit seinen Erfahrungen auch auf Technologie setzt. Bernd Fritzges und Co. dürfte es kaum schwer fallen eine neue Aufgabe zu bekommen, denn Markt ist groß genug und überhaupt noch nicht aufgeteilt. Aber es ist schon ein Wahnsinn, wie die Digitalisierung die Veränderung in unserer Branche beschleunigt. Zeiten ändern sich…

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3 thoughts on “Der Dinosaurier der Tagungsvermittler tritt ab”

  1. Hallo Marco,
    sehr gut geschrieben und analysiert – (fast) alles richtig.
    Es ist wirklich schade, dass auch der andere Dinosaurier nicht überlebt hat. Wie bei den Dinosauriern hat es leider auch intergerma nicht geschafft, sich an die veränderten (Markt-) Bedingungen anzupassen.

    Was Christoph Schwind angeht, so war er nicht – wie hier geschrieben – der eigentliche Gründer der STB. Er kam erst nach der ersten Veranstaltung zu uns, um die STB – nach der erfolgreichen Startveranstaltung – aufzubauen. Diese Aufgabe meisterte er hervorragend, schaffte die Grundlagen, damit die STB zur Erfolgsgeschichte werden konnte. Wenn Du noch Avida (Jürgen Walzinger) dazu nimmst, dann sind aus Bad Kreuznach heraus nicht nur Geschäftsideen, sondern auch erfolgreiche Unternehmen entstanden, die weiterhin bestehen..

    Um die Unternehmensgruppe neu auszurichten und um auf die veränderten Marktbedingungen zu reagieren habe ich 2008 den Sprung von Bad Kreuznach nach Berlin gewagt , weil mir völlig klar war, dass wir mit dem bestehenden Businessmodel dauerhaft nicht überleben konnten. Wer würde in ein paar Jahren noch ein Handbuch brauchen? Wer braucht einen Tagungshotelvermittler, der kaum Mehrwerte bietet? Wer eine Messe, die hauptsächlich Hotels präsentiert? Deswegen war der Plan mit neuen Leuten und einer neuen Führungsstruktur die Unternehmensgruppe neu aufzustellen. Neue Firmierung, neue Leute (über 70!), neue Strukturen, neuer Standort…was das bedeutet, hatte ich völlig unterschätzt. Wir waren dann auch 2 Jahre hauptsächlich mit uns selbst beschäftigt.

    Ich wurde häufiger gefragt, wer denn „Schuld“ an der Insolvenz der MICE AG hat. Natürlich hat so eine Insolvenz viele Gründe und Väter: finanzielle Zusagen wurden nicht eingehalten, Liquiditätsengpass, totales Versagen auf technologischer Seite… aber, „Der Fisch…“ usw. Auch wenn es bei der MICE AG einige Köpfe gab, habe ich zu oft die falschen Entscheidungen getroffen – dazu gehören vor allem Personalentscheidungen. Gelernt habe ich auch die Bedeutung des Satzes „Triff eine Entscheidung, bevor die Entscheidung Dich trifft.“ – ich habe mich zu oft auf andere verlassen und war nicht entschlossen genug. Daher muss ich die Verantwortung dafür übernehmen – und das tue ich bis heute.

    Den Mitarbeitern von intergerma wünsche ich Alles Gute und Vertrauen in die Zukunft. Vielleicht empfinden sie gerade Trauer, weil etwas zu Ende geht, vielleicht Verzweiflung, weil sie nicht wissen, wie es weiter geht. Sicherlich waren auch die letzte Monate nicht einfach für sie, denn Unsicherheit und Ungewissheit bescheren einem viele schlaflose Nächte. Aber erst, wenn etwas zu Ende geht, kann etwas Neues beginnen. Und das wird es auch hier – ganz sicher.
    Bei der MICE AG sind die Mitarbeiter sehr schnell gut woanders untergekommen bzw. wurden die meisten übernommen – für sie war diese Zeit auch nicht einfach. Dadurch, dass wir Unternehmensteile und Marken verkaufen konnten, lebt ein Teil von dem, was wir einmal aufgebaut haben, weiter. Ich bin froh, dass uns der Übergang so gut gelungen ist.
    Nach diesem fast 20-jährigen Ritt durch die MICE Branche, mit allen Höhen und Tiefen, sämtlichen Vor- und Nachteilen, die ein solches Leben mit sich bringt, bin ich froh, dass ich von diesem Zug abspringen konnte (wenn es auch mehr ein runter schubsen war, als ein freiwilliger Sprung).

    Rückblickend hat mich diese Zeit vieles gelehrt – beruflich wie privat. Diese Erfahrungen wollte ich nicht missen, auch wenn einige Erkenntnisse wirklich schmerzhaft waren. Ich bin zwar erst Mitte 40 verspüre aber jetzt schon so etwas wie Altersweisheit 😉
    Ich habe die letzten drei Jahre vor allem für meine Frau und meine Kinder genutzt (die hatte ich zuvor sehr vernachlässigt, da hatte ich einiges nachzuholen), habe mich weiter gebildet und mache Dinge, die mir Spaß machen. Zum Glück bin ich noch einmal Vater geworden und sehe zum ersten mal eines meiner Kinder aufwachsen… eine tolle Erfahrung.

    Das Leben ist schon eine spannende Reise – ich freue mich auf das, was da noch kommt.

    Alles Gute für dich.
    Marcus

    PS: Erinnerst Du Dich noch an meinen Sohn Luca? Der kleine Kerl, der damals in Grassau beim Rafting mit dabei war, ist mittlerweile 25 Jahre alt! Er ist erfolgreich selbstständig und vermittelt Luxushäuser und –wohnungen in Berlin – Laura hat gerade Abi gemacht… Ja, Marco – wir sind zwar nicht alt, aber älter geworden – die Jahre gingen viel zu schnell vorbei.

  2. Lieber Herr Nussbaum,

    wie immer ein sehr lesenswerter Text. Kleiner Hinweis in Sachen meetago/HRS: HRS hat meetago nicht übernommen, sondern hat sich an dem Unternehmen beteiligt.

    Beste Grüße aus Köln
    Björn Zimmer

  3. Die Abwicklung von Tagungsgeschäft ist umfangreich und zeitintensiv. Es erfordert eine professionelle Handhabung in Zusammenarbeit zwischen Kunden und den verschiedenen Abteilungen im Hotel. Ich finde es schade und wenig hilfreich, dass eine Organisation wie Intergerma mit langjähriger Erfahrung und Know-How vom Markt verschwindet. Ja, wir sprechen alle von Digitalisierung, aber die Automatisierung des Tagungssegments war bis heute kein Durchbruch. Also bleibt im Augenblick wohl nur `Do it yourself´! Das wird schwierig, denn die Zukunft für die Hotellerie ist nicht rosig: Weniger Mitarbeiter, mit weniger Ausbildung und noch weniger Zeit. Lest dazu bitte auch:
    http://www.qr-hotels.com/qr-erfahrungsbericht-tagungsgeschaeft/

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