Doppelt gemoppelt hält besser – Oder doch nicht?

Warum Führungsspitzen nicht zwangsläufig scheitern müssen

„Geschäftsführer Max Mustermann verlässt überraschend das Unternehmen, um sich neuen Herausforderungen zu stellen. Die kommissarische Nachfolge übernimmt sein Geschäftsführer-Kollege Bernd Beispiel.“

Solche Breaking News lesen wir heutzutage fast täglich. Herausforderungen. Was zuerst nach einem nachvollziehbaren und logischen Grund für einen Wechsel klingt, ist bei näherer Betrachtung häufig ein Synonym für Machtkampf. So scheiterten schon Steve Jobs und Steve Wozniak aneinander: ein Beispiel dafür, dass ein geschäftstüchtiger Unternehmer und ein begnadeter Tüftler an der Führungsspitze nicht zwangsläufig zusammenpassen müssen.

SAP-Chef Jim Hagemann Snabe gab bei seinem Rücktritt offiziell an, mehr Zeit mit seiner Familie verbringen zu wollen. Doch tatsächlich – so wurde gemunkelt – war ein Machtkampf mit Co-Chef Bill McDermott der Grund dafür, warum er seinen Führungsposten an den Nagel hängte. Die beiden Chefs des Softwarekonzerns konnten unterschiedlicher kaum sein und so wurde der zurückhaltende Däne Snabe schließlich vom amerikanischen Showman McDermott  verdrängt und die Doppelspitze aufgelöst.

Auch bei den Grünen ist im Mai dieses Jahres ein Streit um die traditionelle Doppelspitze entbrannt. Mehrere Grünen-Politikerinnen hatten Cem Özdemir für dessen Überlegung kritisiert, die traditionelle Doppelspitze von Partei und Fraktion abzuschaffen, da „die doppelte Doppelspitze es nicht gerade leichter macht, personelles Profil zu gewinnen.“

„Zwangspartnerschaften“ im Job – oft zum Scheitern verurteilt

Warum scheitern Führungsspitzen? Meist werden die Menschen zusammengewürfelt, ohne sich wirklich zu kennen und ohne eine Vertrauensebene zu haben. Doch Vertrauen zwischen Menschen ist essenziell – in jeglichen Bereichen unseres Alltags. Fehlendes Vertrauen hinterlässt fast immer verletzte Menschen – das gilt nicht nur im Privat- sondern auch im Berufsleben. Ein Mitarbeiterwechsel – so sagt man – kostet etwa drei Gehälter. Nun kann man sich in etwa vorstellen, wie viel mehr es ein Unternehmen kostet, wenn hochbezahlte Führungskräfte ausgewechselt werden. Hinzu kommen die Kosten, die durch Fehlentscheidungen, gegenseitigen Boykott, Tatenlosigkeit und schlechte Kompromisse verursacht werden, bevor eine der Führungskräfte den Hut nimmt. Und nicht zu vergessen: die Kosten, die durch Mitarbeiter entstehen, die schlecht geführt werden, zwischen den Stühlen sitzen und häufig Spielball der beiden sich widersprechenden Chefs werden. Es ist unendlich viel Geld, das in den Sand gesetzt wird – weil sich zwei Menschen einfach nicht verstehen. Dabei wäre es so einfach, nur einen Bruchteil des Geldes in eine gute Mitarbeiterauswahl zu investieren.

Das Matching der Persönlichkeiten ist entscheidend 

Es gibt die einen, die sagen: Führung kann man nicht teilen. Einer muss das Sagen haben. Andere wiederum setzen zwei Alphatiere auf den Chefposten und wundern sich dann, dass es nicht funktioniert. Und ich sage: Führung  kann man teilen und auch zwei Alphatiere können wunderbar zusammen arbeiten – wenn es ganz klare Regeln, gemeinsame Ziele und klar definierte, stärkenorientierte Verantwortungs- und Aufgabenbereiche gibt. Ist es nicht praktisch, wenn da jemand ist, der das kann, was der andere nicht so gut kann? Wenn Aufgaben „motivorientiert“ verteilt sind und beide an einem Strang ziehen? Wenn das klappt, dann kann ein Turboeffekt entstehen, der die Unternehmen echt beflügelt und zu Spitzenleistungen bringt.

Bei den beiden Führungskräften eines kleinen Hotelunternehmens war das leider nicht der Fall. Hier saßen zwei „große Zampanos“ – heute sagt man Alphatiere – zusammen in der Führungsspitze und wurden sich nicht einig: über Zuständigkeitsbereiche, über die Führung der Mitarbeiter, über Finanzen, über Weiterentwicklungen und Investitionen. Es gab eigentlich jeden Tag ein anderes Thema, über das sie diskutierten. Irgendwann wurde es dem Firmeninhaber zu bunt und er schickte die Streithähne zu mir ins Coaching. Eine Motivanalyse auf Basis des Reiss Profile® zeigte dann bunt auf weiß, was ich schon vermutet hatte: Die Motive/Bedürfnisse der beiden passten absolut nicht zusammen:

Warum scheitern Führungsspitzen?

Beide Manager haben ein hohes Streben nach Macht, d.h. sie wollen führen und bestimmen, wo es lang geht. Hier gerieten sie immer wieder aneinander, da sie unterschiedliche Ziele verfolgten: Der eine wollte erfolgreich sein, um sein hohes Statusmotiv („Mein Haus, mein Boot, mein Auto…“) zu befriedigen, für den anderen hatte der Erfolg eher einen ideellen Wert: Im Sinnes seines ausgeprägten Idealismus-Motivs bedeutet Erfolg für ihn, das Unternehmen zu stabilisieren, Arbeitsplätze zu sichern und damit zum Wohle der Gesellschaft beizutragen. Auch was den Führungsstil anging, waren sich beide nicht einig: Für Führungskraft B mit dem ausgeprägten Anerkennungsmotiv ist Lob und Wertschätzung ein essenzielles Führungs- und Motivationswerkzeug, Führungskraft A hingegen führt eher nach dem Motto „Nicht geschimpft ist genug gelobt“. Auch der Umgang mit dem Thema Finanzen konnte unterschiedlicher nicht sein: Direktor B führte mit großer Sorgfalt die Bücher (ausgeprägte Ordnung) und hielt die Finanzen mit hohem Sicherheitsbewusstsein zusammen (ausgeprägtes Sammeln/Sparen-Motiv und Streben nach emotionaler Ruhe). Direktor A mit den genau gegensätzlichen Motivausprägungen hingegen ließ wichtige Rechnungsfristen verstreichen und plante gleichzeitig große Investitionen. Die entstandenen Konflikte zwischen den beiden wurden ebenfalls in unterschiedlicher Art und Weise angegangen: Sein ausgeprägtes Rache/Kampf-Motiv verleitete Direktor B immer wieder dazu, in die Diskussion mit seinem Kollegen zu gehen. Direktor A hingegen reagierte harmoniebedürftig und versuchte, Konflikte – wenn möglich – zu vermeiden.

Je höher die Führungsposition, desto wichtiger die menschliche Kompetenz

Was sagt uns dieses Beispiel? Wenn man zwei Menschen an der Führungsspitze zusammenbringt, dann sollte man sich zuerst einmal deren Persönlichkeiten anschauen und sich dann fragen: Passen die beiden Persönlichkeiten menschlich überhaupt zusammen? Und wenn ja: Über welche fachlichen Fähigkeiten verfügen sie, wo können sie sich ergänzen und unterstützen? Voraussetzung für das Funktionieren von Doppelspitzen ist aus meiner Sicht, dass sich die beiden Führungskräfte in ihrer Fachkompetenz unterscheiden. Sie brauchen unterschiedliche Aufgaben- und Verantwortungsbereiche und ganz wichtig: Sie müssen fair, offen und vertrauensvoll auf Augenhöhe kommunizieren. Daher sollten die folgenden vier Schritte berücksichtigt werden, wenn Hotelgesellschafter oder Inhaber eine doppelte Führungsspitze zusammenstellen wollen:

Schritt 1: Setzen Sie sich mit den Persönlichkeiten der Führungskräfte vor Vertragsabschluss auseinander.

Wie ticken die Beteiligten? Welche Motive und Bedürfnisse bestimmen das Verhalten und die Sichtweisen der kommenden Führungskräfte? Bevor sie die neue Aufgabe annehmen, sollten Sie ihnen die Möglichkeit geben, sich persönlich kennenzulernen.

Schritt 2: Legen Sie die genauen Einsatzbereiche fest. 

Wer übernimmt welche Aufgaben- und Verantwortungsbereiche? Wie sind die jeweiligen Jobs definiert? Diese Entscheidungen sollten von den unterschiedlichen Fachexpertisen, aber auch von den im ersten Schritt definierten Bedürfnissen abhängig gemacht werden. Die Führungskräfte sollten sich um die Bereiche kümmern, für die sie am besten geeignet sind und für die sie „brennen“.

Schritt 3: Vereinbaren Sie Kommunikations- und Entscheidungsrichtlinien.

Wie möchten die Führungskräfte zukünftig miteinander kommunizieren und wer entscheidet was und bis zu welcher Summe? Eine Doppelspitze erfordert viele Abstimmungen. Diese können nur funktionieren, wenn beide die „gleiche Sprache sprechen“. Auch die Entscheidung „4 Augen-Prinzip – ja oder nein?“ sollte wohl durchdacht sein. Braucht man es wirklich oder unterstellt man dadurch per se ein gewisses Misstrauen?

Schritt 4: Definieren und kommunizieren Sie die persönlichen und unternehmerischen Ziele.

Was wollen die Beteiligten wie bis wann erreichen? Werden Sie sich gemeinsam über die Ziele klar und legen Sie dann einen Aktionsplan fest, der allen Beteiligten die Umsetzung erleichtert.

Viele Unternehmen halten es für sinnvoll, diesen sensiblen Prozess von einem Coach moderieren zu lassen, um nicht schon in der ersten Phase der Zusammenarbeit Konflikte zu provozieren. Als neutraler Sparringspartner hilft er den Beteiligten dabei, den „gemeinsamen Nenner“ herauszuarbeiten.

Übrigens: Die beiden oben erwähnten Führungskräfte haben im Coaching viel über sich selbst und ihre eigene Motivation erfahren. Sie verstehen sich jetzt besser und haben gemeinsam und in Abstimmung mit dem Inhaber die Schritte 2 bis 4 erarbeitet und umgesetzt. So wurde aus einer Zwangspartnerschaft mit anfänglichen Reibereien eine vertrauensvolle und wertschätzende Geschäftsbeziehung auf Augenhöhe. Für alle Beteiligten und für den Betrieb ist das ein Gewinn, denn ein abgestimmtes Vorgehen garantiert nicht nur eine enorme Umsetzungsgeschwindigkeit sondern auch die höchsten Chancen auf Erfolg.

Blog Navigation

One thought on “Doppelt gemoppelt hält besser – Oder doch nicht?”

  1. Ich halte es generell für einen Irrweg, Führungs- oder andere zu besetzende Positionen im Vorfeld durch ein Reiss-Profiling evaluieren zu wollen. Schaut man sich die zahlreichen Meldungen über kriselnde Konzerne genau an und beschäftigt sich dann eingehend mit den jeweiligen Konzernstrukturen, dann stolpert man relativ schnell über Persönlichkeitsdefizite der härteren Art in den Chefetagen (das reicht vom mittelst. Unternehmen über VW bis hin zu Lehman Brothers). Meist sind es narzisstische Persönlichkeitsstörungen bis hin zur Psychopathie, welche eine Firma durch schlechte Unternehmenskultur langsam über Jahre hinweg „runterbringen“ und zumeist eine hohe Fluktuation mit sich bringen. Solche Menschen filtert man nicht durch „Reiss-Profiling“ aus dem Meer der Arbeitnehmer, denn Persönlichkeitsgestörte manipulieren auch leicht einen solchen Test. Anstatt dessen benötigt man (imho) einzig und allein eine hohe Sozialkompetenz sowie ausgeprägte Einstellungsgespräche. Eine solche Kompetenz ist weder messbar, noch wird sie in heutigen Ausbildungen oder im Studium vermittelt. Sozialkompetenz ist einem als Anlage in die Wiege gelegt worden, jedoch durchaus ausbaufähig oder kultivierbar. Leider sind es eben jene Menschen mit hoher Sozialkompetenz, welche aufgrund ihrer Persönlichkeit gerade nicht in Führungspositionen drängen. Diese Menschen gilt es zu finden und in seinem Unternehmen zu installieren – und zwar möglichst weit „oben“ in der Hierarchie. Solche Mitarbeiter besitzen dazu oftmals ausgeprägte analytische Fähigkeiten und können für ein Unternehmen Gold wert sein, da sie viel mehr Dinge „nebenher“ auf- und wahrnehmen als die sog. „Alphatiere“, welche große Teile ihrer Energie allein in den Machterhalt stecken. Empathie und seine damit verbundene Verantwortung ist nicht nur innerhalb der Mitarbeiterstruktur eines Unternehmens der Schlüssel für Teamgeist und zufriedene Angestellte, sondern ebenso unverzichtbar wenn es an einen gelebten und ausgeprägten Servicegedanken gegenüber dem Kunden geht. Wer sich in Andere nicht hineinversetzen kann, ist nicht in der Lage, guten Service anzubieten. Und diese Sätze schreibt kein alter Hotelier, sondern ein recht junger Angestellter, welcher mit großen Augen auf die nicht wahrgenommenen Probleme der Hotelwelt blickt, welche mitunter durch o.a. Versäumnisse entstehen.

Schreibe einen Kommentar