Ist das „Du“ der neue Lifestyle?

„Ihr habt entschieden? Was darf ich euch bringen?“ fragte letztens freudestrahlend eine junge Bedienung, als ich mit Geschäftspartnern in einem schicken neuen Bistro-Restaurant zu Abend essen wollte. Ähm, wie bitte? Verwundert blickten wir uns an, denn mit so einer Ansprache hatten wir nicht gerechnet. Wie selbstverständlich hatte uns die Bedienung geduzt und damit Verwunderung bei uns ausgelöst. Wir haben es mit Humor genommen, doch nach einem ersten Schmunzeln kamen wir dann doch ins Grübeln. Sind wir wirklich willkommen oder soll uns signalisiert werden, dass wir eigentlich nicht ins Konzept passen?

Oft jonglieren Menschen in Gesprächen des Alltags mit den ausgefallensten Formulierungen, nur um nicht „Du“ oder „Sie“ sagen zu müssen. In der Hotellerie werde ich immer wieder von jungen Mitarbeitern angesprochen, die unsicher sind, ob sie ihre älteren Kollegen oder den Chef duzen dürfen oder siezen müssen – schließlich hat es ihnen ja niemand gesagt. Den Gast hingegen sollen immer mehr Hotelmitarbeiter duzen, weil es ja so hip ist: „Herzlich Willkommen in unserem Haus. Schön, dass du heute bei uns eincheckst.“ Was der eine als gewöhnungsbedürftig, wenn nicht sogar als völliges No-Go empfindet, ist für den anderen cool und modern. Immer mehr Unternehmen fahren dieses Konzept: „Kunde ist Kumpel“ statt „Kunde ist König“ – und da gehört das freundschaftliche Du wie selbstverständlich mit dazu.

Du oder Sie – eine Geschichte voller Missverständnisse

Wir sagen jetzt „Du“ zueinander und alles wird gut – was in der Theorie so einfach klingt, ist in der Praxis leider oft ein Trugschluss. Denn ein „Du“ wird häufig missverstanden und an falsche Erwartungen geknüpft. So wurden Guido Westerwelle und Horst Seehofer während der Koalitionsverhandlungen 2009 erst dicke Duz-Freunde, um sich nur acht Monate später wie die Kesselflicker über die Gesundheitsreform zu streiten. Es reicht eben nicht aus, zu sagen „Wir sind jetzt der Guido und der Horst und damit Freunde fürs Leben“. Ein „Du“ muss man sich verdienen.

Ganz nach dem Motto „Siezt du noch oder duzt du schon?“ duzt Ikea seine Kunden bis sich die Billy-Regale biegen. Und auch der Bezahlsender Sky versucht die intimsten Bedürfnisse potenzieller Kunden anzusprechen und wirbt mit dem Claim: „Du willst es doch auch“.

Wertschätzung wird „weggeduzt“

Ja was wollen wir denn eigentlich? Überall – und besonders in unserer Branche – geht es uns um Höflichkeit, Respekt und einen wertschätzenden Umgang mit Gästen, Kollegen und Vorgesetzten. Doch scheinbar gibt es keine klaren Regeln mehr. Die Etikette ist im „Knigge“ zwar eindeutig definiert, wird im Alltag aber immer häufiger „weggeduzt“. Bei dem jüngeren Publikum kann das Konzept funktionieren, doch uns hatte besagtes Restaurant schon vor dem Aperitif verloren. Dabei wäre es so einfach gewesen, sich an den folgenden Regeln zu orientieren: Wer selbst siezt, will gesiezt werden. Wer duzt, will selbst geduzt werden. Die wirkliche Kunst im Umgang mit Gästen besteht doch darin, auf deren Bedürfnisse und Wünsche einzugehen und Einfühlungsvermögen zu zeigen, statt irgendein hippes „Duz-Konzept“ über das Befinden des Gegenübers zu stellen. Gleiches sollte übrigens auch für den Umgang mit Mitarbeitern gelten.

You can say „you“ to me – Duzen im Beruf

Die Skandinavier und Holländer haben es vorgemacht. Wo früher das distanzierte „Sie“ zum guten Ton gehörte, ist das „kollegiale Du“ heute auch in vielen deutschen Unternehmen an der Tagesordnung. In der IT- oder in der Werbebranche bricht man vor Lachen fast zusammen, wenn der neue Kollege den Abteilungsleiter siezt. Im Bank-, Versicherungs-, oder Automobilgewerbe hingegen ist das Siezen des Vorgesetzten und erst recht des Kunden immer noch Pflicht. Wenn man sich im Deutschen an die englischen Gepflogenheiten anlehnen mag, spricht alles für die Kombination von Vorname und Sie – eine respektvolle und gleichzeitig teamfördernde Vorgehensweise, mit der ich als Führungskraft übrigens immer sehr gute Erfahrungen gemacht habe.

Aber Vorsicht! Dass der englische oder amerikanische Kollege uns beim Vornamen nennt, bedeutet nicht zwangsläufig eine Freundschaft fürs Leben. Wir Deutschen verstehen deren „you“ häufig falsch und werden dann – wenn wir dem Gegenüber zu nahe rücken – durch ein „Yes Sir“ oder „Yes Ma´am“ schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Unternehmen sollten sich daher gut überlegen, ob Duzen zu ihrer Unternehmenskultur passt und was es bewirkt. Ein lockeres „Du“ kann den Umgang im Beruf erleichtern und aus einer autoritären Hierarchie kollegiale Lockerheit machen. Doch genauso signalisiert es unter Umständen eine Nähe, die vielleicht gar nicht gewünscht ist. Es kann hierarchische und auch zwischenmenschliche Grenzen verwässern und den Gesprächspartnern vermitteln, sie seien auf gleicher Augenhöhe. Zwischen Chef und Mitarbeiter kann ein deutliches „Sie“ als wirkungsvolles Führungsinstrument eingesetzt werden. Es schützt beide Seiten davor, dem anderen „zu nahe zu treten“ und ihn im Eifer des Gefechts womöglich zu beleidigen. Ein „Du Depp!“ flutscht schon einmal schneller heraus als ein „Sie Depp!“.

Fazit: Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter mit ein: Fragen Sie sie nach ihrer Meinung, verlassen Sie sich auf deren Gespür und drücken Sie niemandem ein „Duz-Konzept“ auf. Das sollte ebenso für die Kommunikation mit dem Gast gelten: Versetzen Sie sich in Ihre Gäste hinein und fragen Sie sich: Was möchten sie? Was empfinden sie als wertschätzend und respektvoll? Ein höfliches „Sie“ oder ein freundschaftliches „Du“? Wie oft gilt auch hier: „Nachdenken ist zu spät – Vor- und Zu-Ende-Denken ist angesagt”! Denn mit dem „Du“ ist es wie mit dem Euro, der Ehe oder Verträgen – drin ist man schnell, aber raus kommt man oft nur sehr schwer.

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13 thoughts on “Ist das „Du“ der neue Lifestyle?”

  1. Mir aus der Seele gesprochen, und das mit langjährigen Erfahrungen mit Skandinaviern und Niederländern. Nur ist der Gast/Kunde nicht König, denn sonst wird der Gastgeber erniedrigt. Auf Augenhöhe begegnen ist die richtige Formel, und dazu gehört auch zu spüren, wie der Gast gerne angesprochen werden möchte.

  2. Hallo Elke,
    schöner Text und aktuelles Thema. Da kommt dann schon die Generation „Y“ durch. Die interessiert es nämlich nur am Rande – die machen ihr Ding. Interessieren würde mich allerdings die Meinung des Betreibers dieser Seite. Vielleicht schreibt Marco auch mal einen Blog dazu. LG Ulli

  3. Liebe Frau Schade! Danke für den sehr guten Artikel. Hoffe, das statement wird verstanden und Mal überlegt, ob man mit dem aufgezwängten DU tatsächlich seine Gäste/Kunden adäquat anspricht. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich bei IKEA, Starbucks oder in Restaurants und Hotels geduzt werde. In den meisten Fällen hilft es, darauf nicht mit einem DU zu reagieren und zu Siezen. Mich ärgert derartige Respektlosigkeit, denn eine Tasse Kaffee oder ein Billi-Regal machen uns schließlich nicht zu Freunden für’s Leben! Ich habe auch schon mich duzende, impertinente Mitarbeiter in derartigen Unternehmen darauf hingewiesen, dass ich gesiezt werden will. Mag „altmodisch“ von mir gedacht sein, aber es gilt ja wohl immer noch: „Der Wurm muss dem Fisch schmecken!“, soll heißen: Ich entscheide wo ich mein Geld für Konsumgüter oder Speisen & Getränke ausgebe, und wo ich mich wohl fühle. Ähnlich unpassend empfinde ich Stellengesuche in unserer Branche, bei der Jobsuchende mit Du angesprochen werden. Warum konzentriert sich unsere Branche nicht besser Mal wieder auf das Wesentliche, nämlich dem Gast ein gutes Gefühl und hervorragende Qualität für sein Geld zu bieten?

  4. Hallo Frau Schade,
    ein sehr interessanter Beitrag den ich nur zustimmen kann. Wir sollten uns den Gästen anpassen und nicht weil es Mode ist ihm überrumpeln mit einem geDUTZE. Wo es passt kann es gern angebracht werden, ein generelles DU ist teilweise übertrieben.
    Vorname und Sie ist eine sehr gute Zwischenlösung und passt öfters in Hotels rein. In meinem Betrieb spreche ich die Kollegen mit Sie an, es funktioniert gut und diese Strategie werde ich weiter fahren.
    Ein automatisches DU finde ich teilweise lächerlich. Wenn ich die Person nicht kenne und dann dieser so tut als ob wir sein 20 Jahren Freunde sind finde ich persönlich als lächerlich und übertrieben
    Viele Grüße
    Zeèv Rosenberg

  5. Liebe Elke,

    bei uns im wilden Süden Baden-Württembergs eigentlich noch kein Thema, wahrscheinlich sind wir zu weit weg von „hipp“, aber bei dem Einen oder Anderen im Service sehe ich die Tendenz zum du und ich danke dir für deine Anregungen und Erklärungen.

    Herzliche Grüße
    Thomas

  6. Ihr macht Euch viel zu viele Gedanken darüber. Nicht die Ansprache, sondern auf den Inhalt und Freundlichkeit der Kommunikation kommt es an.
    Weder ein DU, noch ein SIE, können über fehlende Fachkenntnisse oder falsche Formulierungen hinweghelfen.

  7. Schon mal in Österreich gewesen? EIn „Griaß di´“ und das weitere DUTZEN ist dort das normalste der Welt. Ob im Hotel, im Supermarkt oder im Meeting. Selbst ich konnte mich bei der Betreuung von 10 Praktikanten im schönen Österreich dieser Tatsache nicht entziehen. Das DU war einfach da. Ob es was mit „Generation Y“ und „Hip sein“ zu tun hat, lasse ich mal so stehen. Ich glaube, eher etwas mit Erziehung und wie verhalte ich mich in der Öffentlichkeit, sowohl als Gast/Kunde und als Angestellter. Erst neulich hatten wir im Meeting eine Beschwerde eines Gastes zu diesem Thema behandelt. Das dies in einem Luxushotel nicht geht, sollte eigentlich klar sein – dachte die Abteilungsleitung – jedoch ist es durch eine Servicekraft im Restaurant passiert. Doch wie so oft ist doch die Frage: Wer steht dafür in Verantwortung? Genau – es sind die Vorgesetzten/Chefs/Eigentümer. Die müssen eben auch, neben „Wie decke ich einen Tisch ein“, auch diese Fragen und Themen behandeln. Dazu zähle ich aber auch, beim platzieren behilflich sein, die Türe öffnen etc. Da sind wir aber wieder bei einer anderen Tatsache – dem Fachkräftemangel im Management. Nach meinem letzten Hoteltest wurde ich von zwei Personen dafür kritisiert, dass ich eben diese Details angesprochen habe. Es sei ja nicht so wichtig, waren die Kommentare. Doch, ist es. Genau das macht den Unterschied zu einem anderen Haus aus. Die Hülle ist das eine – diese mit Standards zu füllen – etwas ganz anderes. Immer mehr Gäste/Kunden mögen das und legen darauf einfach Wert.

  8. Liebe Frau Schade,
    ich kenne Sie seit genau 25 Jahren, würde ich auf die Idee kommen Sie zu dutzen ? Nein gewiss nicht. Sie haben ein kontroverses Thema sehr gut beschrieben. Ich gratuliere Ihnen dazu.
    Seit 25 Jahren habe ich auch schon in 7 verschiedenen Ländern, auf 4 Kontinenten verant-
    wortlich gearbeitet. Fast jedes Land hat seine eigene Kultur, die jeweils vorangegangene Eltern-Generation lehrt der nachfolgenden Generation, das Benimm-Verhalten und die Kultur. Wir in Deutschland, die Neue 68er Generation darf nicht glauben alles zu vermischen, wozu es Ihnen gerade gefällt. Die Personen die es versuchen mit der englischen Aussprache vergleichen zu wollen, irren gewaltig, das YOU mit dem DU zu
    vergleichen. Eine moderne Hip Hop Musik hat nichts mit Tradition und Kultur eines Landes zu tun, die man bewahren sollte und langsam mit Neuem mixen.
    Mit kollegialen Grüssen…. Dieter R.Geisthardt

  9. Liebe Elke,
    vielen Dank für das Statement. Man sollte die DU-Mentalität nicht zum Konzept machen, sondern von der Situation bzw. dem Gast oder Kollegen abhängig machen. Generell wahrt ein SIE immer noch eine gewisse Professionalität.

  10. Ich spreche nun mit meinem 23 Jahren mal aus der Sicht eines Hotelmitarbeiter der Generation Y!
    Meiner Meinung nach gehört das Du und Sie in Deutschland abgeschafft genau so wie es z.B. Schweden erfolgreich getan hat. Meiner Meinung nach hat Du oder Sie rein garnichts mit Respekt zu tuen. Warum auch? Ich kann auch zu jemanden unfreundlich und respektlos sein den ich Sieze. Genauso kann ich meinen höchsten Respekt jemanden zeigen, mit dem ich per du bin. So What?

    Auch in der Hotellerie habe ich beide Seiten kennengelernt. Meine Ausbildung habe ich in einem wunderschönen Design Hotel gemacht in dem das Du unter Mitarbeitern zum Alltag gehört. Es war vom Vorstellungsgespräch an klar, das der Chef geduzt wird und das ist gut so. Ich denke, in einem Team sich gegenseitig zu siezen ist nicht gut für einen Zusammenhalt. Das Du stärkt aus meiner Sicht den Zusammenhalt.
    Seit meinem Ausbildungsende arbeite ich in einem 5 Sterne Haus. Es war Anfangs hart für mich.Da hatte ich Kollegen, die waren so alt wie ich und haben mich gesiezt. Ich bin vom Glauben abgefallen. Das in der heutigen Zeit. Ich muss immer noch Azubis erklären das Sie bloß aufhören sollen mich Herr Fehrmann zu nennen.
    Und ann gibt es ja in der Jobwelt noch die ganz speziellen ,, Herr Müller, kannst DU mal das machen?“ Ganz ehrlich? Dann kann man es auch sein lassen.

    Glaubt mir, auch das Argument man sagt leichter du Arschloch als Sie Arschloch habe ich schon oft genug in Diskussionen gehört. Darauf muss ich dann entgegen: Es ist leichter zu einem Chef zu gehen und zu sagen:,, du Chef, ich find das hätten wir besser machen können“ als ,, Entschuldigen Sie Chef, das fand ich nicht gut“. Es ist leichter auch Dinge anzubringen wenn man per Du ist. Weil man offeneren Reden kann. Ein Sie ist immer auch eine Blockade.
    Es klappt in anderen Ländern doch so gut. In anderen Branchen. Ikea, H&M nur zwei Unternehmen die in Mitarbeiterumfragen ganz weit oben sind als beliebteste Arbeitgeber. Sie haben unter anderem das DU als Standard.
    Liebe Deutsche Hoteliers, werdet locker. Das Du beißt nicht, das Du hat rein überhaupt nichts mit Respektlosigkeit zu tuen, es nimmt einfach nur die Angst und macht viele Dinger einfacher.

    Liebe Grüße

    Max

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